Warum wir ein Lastmanagement brauchen
Unser Firmengebäude ist 3-phasig mit 125 Ampere abgesichert. Daraus ergibt sich eine maximal mögliche Gebäude-Anschlussleistung von ca. 86kW (125A × 230V × 3). Wir haben vor kurzem fünf Ladesäulen mit je zwei Ladepunkten installiert (siehe Blogeintrag vom 8. Oktober 2018) und in der Garage hängt auch noch eine Wallbox – in Summe also 11 Ladepunkte. Technisch ist pro Ladepunkt eine Ladeleistung von maximal 22kW möglich. Wer also rechnen kann, kommt ziemlich schnell darauf, dass 11 x 22kW = 242kW ergibt, was die maximal mögliche elektrische Anschlussleistung unseres Gebäudes erheblich übersteigt und unmittelbar die Sicherungen auslösen würde. Damit wären sämtliche Arbeitsplätze ohne Strom.
Dass an allen 11 Ladepunkten zeitgleich mit maximaler Leistung geladen wird, ist aber gar nicht geplant und auch überhaupt nicht notwendig. Womit wir schon mal bei den ersten Überlegungen hinsichtlich Lastmanagement wären:
Wann braucht wer wieviel Strom?
Zu klären sind solche Fragen wie:
- Welcher Kollege muss erst abends wieder heimfahren und hat praktisch den ganze Tag Zeit zum Laden – kann also auch mit „Schnarchstrom“ geladen oder zu einem späteren Zeitpunkt versorgt werden?
- Wer hat in einer halben Stunde den nächsten Kundentermin und braucht schnell ein fahrbereites Auto (weshalb unsere Springerfahrzeuge z.B. bevorzugt bedient werden würden)?
- Wie hoch ist der bereits vorhandene Ladestand des Akkus? Fahrzeuge mit leeren Akkus erhalten mehr Ladeleistung, als Fahrzeuge mit eher vollem Akku.
- Sollen Plug-In-Hybride mit kleinem Akku und 1-phasiger Lademöglichkeit gegenüber vollelektrischen Fahrzeugen mit großem Akku und 3-phasiger Lademöglichkeit bevorzugt geladen werden oder umgekehrt?
Das sind nur ein paar der Überlegungen, die in ein intelligentes elektrisches Lastmanagement mit einfließen und die nach Möglichkeit auch automatisiert werden sollen. Und auch für einen entsprechenden Automatismus stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die gegeneinander abgewägt werden müssen. So könnte eine Lastenzuteilung etwa über die jeweilige Fahrzeugkennung durch Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladepunkt erfolgen. Der Ladepunkt (bzw. der Ladecontroller im Elektroverteiler) würde dann erkennen, ob z.B. ein privater Pkw oder ein Springerfahrzeug aus unserem Fahrzeugpool geladen werden soll. Auch eine Verknüpfung mit unserem Outlookkalender wäre denkbar, in dem die Fahrzeuge als Ressource hinterlegt sind. Hierzu müsste bei der Buchung der Zeitpunkt von Abfahrt und Rückkehr sowie das Fahrtziel eingetragen werden. Hieraus lässt sich dann errechnen, mit welcher Leistung das Fahrzeug geladen werden sollte und ob der Ladezustand überhaupt ausreichend ist. Aber auch eine manuelle Zuordnung über eine Managementkonsole, eine eigene Lade-App bzw. die Möglichkeit einer Prioritätsanforderung direkt an der Ladesäule muss in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Von Lastspitzen und -tälern
Ein weiterer nicht ganz unwesentlicher Punkt beim Lastmanagement ist das Vermeiden von Lastspitzen und -tälern bzw. das Anstreben einer möglichst gleichmäßigen Leistungsaufnahme über den ganzen Tag. Die elektrischen Kraftwerks- und Leitungsnetzbetreiber haben ein Interesse daran, Lastschwankungen möglichst zu vermeiden, denn der Stromverbrauch und die Stromerzeugung müssen zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht sein. Dazu müssen ständig schnell regelbare Kraftwerke in Betrieb gehalten werden und auch sämtliche Leitungen und Trafos müssen immer für die Spitzenlast dimensioniert sein. (Dass das kein einfaches Unterfangen ist, kann man z.B. beim Schweizer Stromnetzbetreiber swissgrid online nachverfolgen.)
Aus diesem Grund schreibt der Stromversorger uns als „Großabnehmer“ nicht nur eine Energiemessung (wie in Privathaushalten), sondern auch eine Leistungsmessung vor. Wir zahlen zwar einen verhältnismäßig geringen Strompreis pro kWh (Energiepreis), müssen im Gegenzug aber eine deutlich höhere Grundgebühr pro kW Anschlussleistung entrichten (Leistungspreis), die sich an unserem Maximalverbrauch bemisst. Um unseren Spitzenverbrauch festzustellen, werden in 15-Minuten-Intervallen Messungen erhoben und an unseren Stromanbieter übermittelt. Abhängig von den gemessenen Maximalwerten wird dann auch unsere Grundgebühr dynamisch angepasst.
Jetzt verbraucht auch unser Unternehmen nicht den ganzen Tag über gleich viel Strom. Viel mehr gibt es ein paar „Stromfresser“, die sich beim Spitzenverbrauch deutlich bemerkbar machen. Bestes Beispiel: Der Durchlauferhitzer in unserer Dusche. Dieser erzeugt – wie fast alle Wärmebereiter (Untertischboiler, Kaffeemaschine, Herd, Backofen, etc.) – im Betrieb einen sehr hohen Stromverbrauch. Aber unsere Dusche wird natürlich nicht den ganzen Tag von morgens bis abends genutzt, an manchen Tagen ist die Dusche auch gar nicht in Betrieb. Je nach Nutzung entstehen also deutlich messbare „Spitzen“ oder „Täler“ im Stromverbrauch. Ziel eines intelligenten Lastmanagements ist es also z.B., die Fahrzeuge vorzugsweise dann zu laden, wenn der Durchlauferhitzer gerade nicht in Betrieb ist. Oder umgekehrt bei Nutzung der Dusche die Ladeleistung für die Pkws entsprechend zu reduzieren.
Die jeweilige Leistungsaufnahme der Elektrofahrzeuge lässt sich in weiten Bereichen von einem Ladecontroller (EVCC – Electric Vehicle Charge Controller) steuern und somit tatsächlich eine „Flatline“ bei der Leistungsaufnahme des Gebäudes erreichen. Damit wird die Grundgebühr gedeckelt und die Energieversorgung für das Gebäude sehr viel günstiger.
Solche Überlegungen zeigen, wozu ein Lastmanagement benötigt wird und welche Faktoren dabei berücksichtigt werden müssen. Nun beschäftigen wir uns schon sehr viel länger mit dieser Thematik – bereits beim Bau des Gebäudes vor inzwischen fünf Jahren existierten erste Pläne für eine eigene Ladeinfrastruktur samt Lastmanagement. Die erforderlichen Parameter, die berücksichtigt werden müssen, stehen also bereits fest. Auch die technischen Voraussetzungen etwa bei der Konstruktion der Ladesäulen wurden inzwischen umgesetzt. In den kommenden Monaten geht es jetzt also vorrangig noch um die Vervollständigung der Implementierung (was durchaus kein kleiner Meilenstein ist …).
Wir werden euch hier im Blog auf jeden Fall auf dem Laufenden halten, wie es weitergeht.